Den Harz unbeschwert erleben
Acht Gütesiegel für barrierefreie Betriebe
Wernigerode setzt Akzente in der Tourismuslandschaft. Nicht nur im Harz, auch in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. War es am 23. Juli das Richtfest für die „gläserne Werkstatt“ der Harzer Schmalspurbahnen, so hatte zehn Tage zuvor die Prämierung von zertifizierten Einrichtungen der Tourismusbranche, die das Gütesiegel „Barrierefreiheit geprüft“ tragen dürfen, vergleichsweise in familiärer Atmosphäre stattgefunden. In das Café Argenta „Genuss Momente“ in Hasserode, eine der ausgezeichneten Einrichtungen, hatte Wirtschaftsminister Prof. Armin Willingmann eingeladen. Ihm zur Seite stand bei der Übergabe der Zertifizierungsurkunden Thomas Einsfelder von der Investitions- und Marketinggesellschaft (IMG) des Landes.
Mit dem Gütesiegel können sich ab jetzt weitere acht Betriebe und Einrichtungen des Harzes mit dem Slogan „Reisen für alle“ schmücken. Es sind die Tourist-Information Ilsenburg, das Kloster Michaelstein und die Tourist-Information von Blankenburg sowie in Wernigerode die Tourist-Information und der Veranstaltungssaal „Fürstlicher Marstall“, das Hasseröder Burghotel und das bereits genannte Cafe „Genuss Momente“.
Seit im Jahr 2014 dieses landesweite Projekt gestartet wurde, haben 130 Tourismusanbieter das Gütesiegel erworben. Und Wernigerode ist nicht nur hier Vorreiter. Unter der Ägide der unlängst verstorbenen Chefin der Wernigerode Tourismus Gesellschaft Erdmute Clemens im Bunde mit Andreas Heinrich legte die Stadt bereits im Jahr 2011 in Kooperation mit der Harzdruckerei die Broschüre „Barrierefreies Wernigerode“ vor. Ein bis heute Maßstäbe setzendes Heft, das gerade bis zum Jahresende aktualisiert wird.
Reisen für alle erhält zunehmende Bedeutung, denn Menschen werden älter, bekommen durch Krankheiten und Unfälle temporäre Probleme oder eben einfach nur mal ein Kind. Für sie alle ist es wichtig, sich im öffentlichen Raum gleichberechtigt bewegen zu können, an Kultur teilzuhaben und auch entspannte Urlaubstage verbringen zu können. Ein Thema, für das es zwar gesetzliche Vorgaben gibt, das aber über Jahre vor allem durch verbale Interessenbekundungen, Veranstaltungen von staatlichen Interessenverbänden, zumeist ohne die notwendigen finanziellen Mittelbereitstellungen „glänzte“. Ergebnisse blieben weitgegend aus. So gibt es trotz vielfacher Bemühungen bis heute keinen kompakten Führer in Sachen Barrierefreiheit für den Harzkreis.
Auch ist es der Nationalen Koordinierungsstelle für Barrierefreiheit innerhalb der letzten zehn Jahre nicht gelungen, den Anbietern in Deutschland einheitliche und für die Zielgruppe brauchbare Pictogramme zur Verfügung zu stellen. Grundlagen also, an denen es fehlt, sind ein deutliches Zeichen für die weiterhin bestehenden Mängel in diesem Bereich.
In seiner Laudatio stellte Prof. Willingmann fest: „Barrierefreiheit ist ein zentrales Qualitätsmerkmal, das Teilhabe erleichtert, aber zugleich auch den Komfort für alle Gäste steigert.“ Daher empfehle er jedem Tourismusbetrieb, sich dieser Zertifizierung zu unterziehen. Überprüft wird im Rahmen der Prädikatserteilung die gesamte touristische Servicekette. Die acht Harzer Einrichtungen „verfügen u. a. über ebenerdige Eingänge, breite Türen, große Bewegungsflächen, öffentliche Toiletten für Menschen mit Behinderungen sowie teilweise Aufzüge und entsprechend gekennzeichnete Parkplätze“, listet Einsfelder die Kriterien auf, nach denen geprüft wird und erwähnt anschließend, daß die IMG eine neue Kampagne gestartet hat, die den Start nach dem coronabedingten Totalausfall für den Tourismus befördern soll.
In der Werbeinitiative „Echt schön. Sachsen-Anhalt“ wird mit gefühlvollen Botschaften für Sehnsuchtsorte im Bundesland geworben. Eine ähnliche Werbestrecke hat der Harzer Tourismusverband entwickelt, mit der auf den Urlaub in der hiesigen Region orientiert wird, die viele Plätze zu bieten hat, die an Norwegen, die Toscana oder Slowenien erinnern. Wenn diese dann auch noch barrierefrei zu erreichen sind, wird das dem neuen Tourismusansturm mit Sicherheit zuträglich sein. Ein ganz alter Slogan des HTV könnte in dieser neuen, hygienebetonten Zeit seine Wiedergeburt feiern: Lieber Harz statt Honolulu.
Quelle: Neue Wernigeröder Zeitung 16/20 | Text: Wolfgang Schilling